ARD-Programmdirektorin Christine Strobl im Inteview

Christine Strobl räumt ARD auf: "Rote Rosen" vor dem Aus, mehr Dokus, neue Talkshow

12.08.2021 um 15:31 Uhr

Die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl (50) ist seit dem 1. Mai im Amt und gibt im Interview einen ersten Einblick in ihre Pläne. "Zum Jahreswechsel wird sich einiges verändern", kündigt Strobl an.

Eine neue Kapitänin steht im Ersten am Steuer: Christine Strobl ist ARD-Programmdirektorin und nimmt Kurskorrekturen vor: Bewährte Formate erhalten neue Sendeplätze, lieb gewonnenen Serien, wie den ARD-Soaps „Sturm der Liebe und „Rote Rosen“, droht vielleicht das Aus. Es soll viele neue Event-Mehrteiler geben, die Mediathek wird gestärkt. Das sind einige der Pläne, die die 50-Jährige schmiedet.

Im Interview mit TV DIGITAL Reporter Mike Powelz redet Christine Strobl Klartext:

Frau Strobl, welche Note von Eins bis Sechs würden Sie der ARD momentan geben?

CHRISTINE STROBL: Zwei bis Drei.

Warum?

CHRISTINE STROBL: Wir haben exzellente Inhalte. Würde ich nur danach gehen, wäre die Schulnote vielleicht etwas besser. Aber wir haben noch keine richtige Antwort auf die Frage, was wir brauchen, um jüngere Zuschauer zu erreichen, und wie wir unsere Angebote ausrichten müssen, damit sie sich nicht alle an die gleichen Bevölkerungsgruppen richten. Da müssen wir besser werden.

Was wird sich für die Zuschauer ganz sichtbar ändern? Und ab wann?

CHRISTINE STROBL: Zum Jahreswechsel wird sich einiges verändern. Im klassisch-linearen Fernsehen setzen wir auf Verlässlichkeit – mit festen Startzeiten und einer klaren Gliederung für die Tage. Beispielsweise wird der Montag künftig ein Informationstag, an dem wir ab 20.15 Uhr mit hochwertigen, attraktiven Dokus aus den Bereichen Investigatives, Wirtschaft, Kultur, Religion und Ausland starten. Auch der Naturfilm wird dort eine große Rolle spielen. Anfang 2022 gibt es hier zum Beispiel einen Schwerpunkt über das Comeback seltener Tierarten, die ja auch in Bezug auf den Klimawandel wichtig sind. Momentan diskutieren wir zudem über eine Verlegung des „Weltspiegels“ auf den Montag. Die Verlässlichkeit soll im klassischen Fernsehen auch für die anderen Tage gelten. Deshalb werden die „Tagesthemen“ am Freitag später beginnen, und sie werden verlängert, um die Freitagsausgabe an die Sendungen montags bis donnerstags anzupassen.

Warum setzen Sie so stark auf Infos und Dokus?

CHRISTINE STROBL: Wir müssen den digitalen Umbau in den Blick nehmen, um mit unseren Angeboten wieder die ganze Bevölkerung zu erreichen. Dazu brauchen wir auch im bestehenden Konkurrenzumfeld der ARD-Mediathek einen attraktiven Dokubereich.

Welche Serien-Highlights starten?

CHRISTINE STROBL: Am 22. September um 20.15 Uhr startet eine witzig-tragische Miniserie namens „Tina mobil“. Darin geht es um eine Frau, die einfach nicht aufgeben will. Ab Anfang November gibt’s neue Folgen von „Die Heiland“ mit Christina Athenstädt in der Titelrolle. Außerdem haben wir einen neuen Donnerstagskrimi: „Dr. Hoffmann“ mit Kai Wiesinger, der in Berlin spielt und auch noch 2021 an den Start geht. Und unsere achtteilige Anwaltsserie „Legal Affairs“ mit Lavinia Wilson als Medienanwältin startet ebenfalls im vierten Quartal. Diese Serie ist in Zusammenarbeit mit dem Medienjuristen Christian Schertz entstanden, und wir können ein Stück weit auf wahre Fälle zurückgreifen. „Legal Affairs“ ist für mich der Versuch, nach langer Zeit und zuletzt „Liebling Kreuzberg“ eine moderne Anwaltsserie zu erzählen.

Was sind weitere Höhepunkte?

CHRISTINE STROBL: Etwa der Dreiteiler „Ein Hauch von Amerika“, den wir Anfang Dezember zeigen. Er beschäftigt sich mit der Freundschaft zweier Frauen in Rheinland-Pfalz in den Nachkriegsjahren. Ebenfalls herausragend wird der große Event-Mehrteiler „Eldorado KaDeWe“ über das legendäre Berliner Kaufhaus in den 1920er-Jahren, erzählt von Regisseurin Julia von Heinz. Weitere besondere Angebote sind in 2022 der Mehrteiler „Zerv“ mit Nadja Uhl und die historische Serie „Bonn“.

 Werden die lockeren Reihen „Tödliche Geheimnisse“ mit Anke Engelke sowie „Zielfahnder“ fortgesetzt?

CHRISTINE STROBL: Neue Filme der Reihe „Zielfahnder“ sind in der Planung. Das Format „Tödliche Geheimnisse“ wird nicht fortgesetzt.

Im Nachrichtensegment haben Sie Linda Zervakis und Pinar Atalay verloren. Bedauern Sie das?

CHRISTINE STROBL: Persönlich ja. Nichtsdestotrotz finde ich es bemerkenswert, wie schnell wir mit Aline Abboud eine beeindruckende Nachfolgerin für Pinar Atalay gefunden haben. Abboud ist für die „Tagesthemen“ eine tolle Bereicherung und quasi ein „Eigengewächs“, das bei „funk“ Fußabdrücke hinterlassen hat. Also beim jungen Online-Angebot von ARD und ZDF. Sie bringt zudem eine große Kenntnis über den Nahen Osten mit, das passt natürlich sehr gut ins Team der „Tagesthemen“.

Wie finden Sie es, dass „RTL Direkt“ mit Ex-„Tagesschau“-Mann Jan Hofer nun gegen „Tagesthemen“ antritt?

CHRISTINE STROBL: Wenn man uns nachahmt, ist das für mich ein gutes Zeichen, weil wir offensichtlich ein paar Dinge richtig gemacht haben. Ich glaube aber auch, dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer bei den „Tagesthemen“ bleiben und dort wie gewohnt ihre seriösen Informationen, Einordnungen und hintergründige Berichterstattung abrufen, nutzen und schauen.

Wie wichtig ist es für Sie, die ARD-Mediathek zu stärken?

CHRISTINE STROBL: Sehr wichtig. Die Zuschauer von ARD und ZDF werden älter, insofern ist es für uns genauso wichtig, dass wir uns jetzt den jungen Zuschauern zuwenden, weshalb wir für die ARD-Mediathek ein eigenes Programmangebot brauchen. Die Serie „All You Need“ war ein erster Schritt, aber im Bereich der Doku und fiktionalen Serie müssen wir nachlegen. Weil wir aber keine Budgets haben, die sich mit Netflix vergleichen lassen, müssen wir stärker kooperieren – und vielleicht nicht unbedingt fünf Dokus zu demselben Thema machen, sondern eine große, die mit einem höheren Budget ausgestattet wird. Unser Ziel ist es, eine neue Serie pro Monat in der Mediathek zu starten.

Dienstags und donnerstags soll Sandra Maischberger mit einer neuen Talkshow kommen. Wann geht das los?

CHRISTINE STROBL: Richtig ist, dass wir an zwei Abenden der Woche mit einem Talkformat an den Start gehen wollen. Ebenfalls richtig ist, dass es kein zusätzlicher Talk sein wird, sondern einer von den drei Talks, die es im Moment in der ARD gibt. Dazu werden im Moment Gespräche geführt. Das Ziel ist übrigens nicht, Markus Lanz Konkurrenz zu machen oder ihn zu kopieren, sondern aus der hohen Akzeptanz von Lanz abzuleiten, dass es ein großes Bedürfnis gibt, sich abends noch einmal im Gespräch mit den relevanten Themen des Tages zu beschäftigen. Auch da bin ich zuversichtlich, dass wir zum Jahreswechsel oder im Lauf des nächsten Jahres etwas anbieten können.

Geht „Charité“ in die vierte Staffel?

CHRISTINE STROBL: Das ist noch nicht entschieden.

Aktuell laufen 80 Autoren Sturm gegen Ihre Pläne, statt 90 nur noch 66 Sendungen von Politmagazinen wie „Report“ oder„Panorama“ zu zeigen. Auch die Dokureihe „Die Story im Ersten“ soll abgeschafft werden.

CHRISTINE STROBL: Beide Thesen beruhen auf Interpretationen von Menschen, die nie mit uns gesprochen haben. Ich möchte festhalten, dass diese Infos so nicht richtig sind. Richtig ist, dass wir von den Magazinredaktionen künftig neben den Magazinsendungen weitere Anstrengungen erwarten, etwa Langstücke, die im Bereich der Doku für die Zielgruppen der Mediathek attraktiv sind. Richtig ist auch, dass die Sendeplätze der politischen Magazine ganzjährig weiterhin durchgängig von den Magazinredaktionen bespielt werden. Am Dienstag und Donnerstag wird nichts anderes laufen als Themen aus den Magazinredaktionen. Auch „Die Story im Ersten“ wird nicht abgeschafft, sondern weiterentwickelt. Selbstverständlich wird es weiterhin Dokus zusätzlich zu denen, die die Magazinredaktionen erstellen, auch im Ersten geben.

Niemand kennt Ihren Vater Wolfgang Schäuble, der im nächsten Jahr 80 wird, so gut wie Sie. Planen Sie eine Doku über das Leben Ihres Vaters?

CHRISTINE STROBL: Nein.

Sie haben Ihr Jahresgehalt in Höhe von 285.000 Euro verraten. Warum haben Sie das öffentlich gemacht?

CHRISTINE STROBL: Da ich mit öffentlichem Geld bezahlt werde und es ein öffentliches Interesse danach gab, wollte ich Transparenz.

Thomas Gottschalk hat gesagt, das öffentlich-rechtliche System habe nur in der Fusion eine Chance. Richtig?

CHRISTINE STROBL: Ich schätze Gottschalk auch für seine vielen Ideen, aber ich glaube, das steht weder zur Debatte, noch ist es eine gute Idee. Ich finde, wir sind mit diesem pluralen System gut gefahren.

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