Sechsteilige ZDF-Serie blickt hinter die Fassaden von Hochglanzfamilien

„Neuland“: Lügen, Gewalt und Mobbing im Vorstadtparadies

27.12.2022 um 17:21 Uhr

Geheimnisse, Gefahren, Gewalt – und jede Menge überraschende Verstrickungen: In der ZDF-Miniserie „Neuland“ wird das vermeintliche Vorstadtparadies zur Vorhölle.

Ein Artikel von TV Digital Chefreporter Mike Powelz

Auf den ersten Blick wirkt das Städtchen Sünnfleth an der Elbe wie ein Vorstadtparadies: schöne Häuser, üppige Gärten, freundliche Kinder mit aufgeklärten Eltern. Man kennt sich, man hilft sich – und die Schwächeren behält man auch noch im Blick. Doch dann verschwindet die alleinerziehende Mutter Alexandra Brandt von heute auf morgen spurlos. Ihre Schwester Karen (Franziska Hartmann, hier im Interview mit GOLDENE KAMERA) reist nach Sünnfleth, um Alex’ Kinder zu versorgen. Die traumatisierte Berufssoldatin war zuvor in Mali, kämpft nun gegen eine Tabletten- sowie Alkoholsucht – und erlebt das Provinzleben weniger paradiesisch. Wem kann sie überhaupt trauen?

Steckt der homosexuelle Ex-Geliebte ihres Vaters, Christian Grawert (André M. Hennicke), hinter Alexandras Verschwinden? Oder sind die vermeintlich besten Freundinnen ihrer Schwester, Sarah (Peri Baumeister) und Marie (Mina Tander), sowie deren Männer Hauke (Godehard Giese) und Erik (Steve Windolf) in den Vorfall verstrickt? Und welche Rolle spielen gewalttätige Schulkinder und ein gemobbter Flüchtlingsjunge? Als Karen Alexandras Geheimnis aufdeckt, steht sie vor einer schweren Entscheidung.

Dunkle Wahrheiten hinter einer eigentlich leuchtender Provinzfassade

Alexandra Brandts Verschwinden ist nur der Köder, um die Zuschauer für das vielschichtige Gesellschaftsdrama zu begeistern. Autor Orkun Ertener (Grimme-Preis für die Serie „KDD“) möchte vielmehr beleuchten, wie neue bürgerliche Milieus, die stets politisch korrekt sein wollen und heute gern „woke“ genannt werden, umgehend zu Egoisten werden, sobald ihr eigener Nachwuchs Mist baut und sie einen Sündenbock brauchen. „Fehler machen und zugeben wird schwieriger“, sagt Ertener. „Einerseits ist es tatsächlich eine schönere, nachhaltigere, gleichberechtigtere neue Welt, andererseits steigt der Druck im Kessel. Und da kommt die Frage ins Spiel, was passiert, wenn der Kessel irgendwann nicht mehr hält?“

Dunkle Wahrheiten hinter eigentlich leuchtender Provinzfassade – kein ganz neuer Ansatz, aber immer wieder dankbarer Serienstoff. Leider verhebt sich „Neuland“ an dieser Grundidee: Zu viele Figuren konkurrieren miteinander, der Fokus bleibt unklar, die Sogwirkung einer großen Serie bleibt ein wenig aus.

Trotzdem lohnt sich der Sechsteiler, der nach der Vorab-Premiere in der ZDF-Mediathek nun auch im linearen TV läuft: zum einen wegen der starken Besetzung und der ausschließlich aus weiblicher Sicht erzählten Handlung. Und zum anderen, weil man als Zuschauerin und Zuschauer durchaus zur Selbstkritik gedrängelt wird: Wie hätte ich mich wohl verhalten?

 "Neuland":  Dienstag (27.12.) und Mittwoch (28.12.) jeweils ab 22.15 Uhr im ZDF länger in der ZDF-Mediathek.

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