"Jana ist eine moderne Medea"

Petra Schmidt-Schaller kann Janas Verhalten in "Ein Schritt zum Abgrund" nicht nachvollziehen

01.04.2023 um 17:25 Uhr

In der ARD-Serie "Ein Schritt zum Abgrund" ist Petra Schmidt-Schaller in der Rolle einer betrogenen Frau zu sehen, die kein Opfer sein will.

Die vierteilige Serie im Ersten (ab 1. April, 20.15 Uhr und hier bereits in der Mediathek) ist eine Adaption des BBC-Erfolgshits "Doctor Foster". Wir sprachen vorab mit der Schauspielerin über das Ehedrama, das sich zum Thriller entwickelt.

Ein Interview von Mike Powelz

Was haben Sie als Erstes gedacht, als Sie das Drehbuch gelesen haben und was mögen Sie an der Serie?

Petra Schmidt-Schaller: Da ich das Original der BBC, "Doctor Foster", nicht kannte, hatte ich keine Ahnung welche Reise meiner Figur Jana bevorsteht – und war sehr positiv davon überrascht. Das Drehbuch ist sehr stark und sehr kraftvoll. Außerdem haben mich die Themen Eifersucht und Rache interessiert, weil ich beides überhaupt nicht in mir trage und das nicht mal ansatzweise kenne. Insofern fand ich Janas Verwandlung spannend. Und war erstaunt, wie weit sie geht.

Bis zu welchem Punkt finden Sie das Verhalten Ihrer Figur logisch – und wo wären Sie davon abgewichen?

Ich kann es nicht nachvollziehen, dass Jana Christian nicht mit seiner Untreue konfrontiert, sondern sich für krasse Aktionen entscheidet.

Stichwort Loslassen: Ist es Janas größtes Problem, dass sie nicht loslassen kann?

Vielleicht. Auf jeden Fall ist sie wahnsinnig durchsetzungsfähig und bleibt verbissen an einer Sache dran, wenn sie sich das vorgenommen hat. Der Schmerz über Christians Untreue trifft sie bis ins Mark – und er treibt sie dermaßen voran, dass sie sich schließlich für Rache entscheidet. Sie beißt sich quasi darin fest. Für mich ist Jana eine moderne Medea – das war mir direkt nach dem ersten Lesen des Drehbuchs klar. Und meine Recherchen haben diesen Eindruck bestätigt.

 

Welche Recherchen?

In diesem Fall wollte ich von einer Psychologin wissen, warum es manchmal zu einem so genannten "erweiterten Suizid" kommt. Sie hat mir erklärt, dass es sich dabei um Verkettungen handelt, bei der einer von zwei Partnern während oder nach einer Trennung glaubt, dass die Kinder ein Teil von ihm/ihr sind – und dass der andere Partner diesen Teil nicht bekommen darf.

Reden Sie zur Vorbereitung auf Ihre Rollen öfter mit Psychologen?

Ja, zu bestimmten Rollen rufe ich eine Therapeutin an und frage sie nach dem psychologischen Background – also, warum meine Figur so handelt und warum das überhaupt alles so ist. Ich finde Psychologie einfach spannend – genau wie die Therapeuten, weil das Reden über eine Filmfigur mal was anderes für sie ist. Manchmal beschreiben sie mir, wie die psychologische Weiterentwicklung einer Figur sein könnte, manchmal, was noch alles passieren könnte. Und einmal ist nach einem Gespräch mit einer Psychologin sogar etwas von ihren Analysen ins Drehbuch eingeflossen.

Was ist aus Ihrer Sicht das Alleinstellungsmerkmal von "Ein Schritt zum Abgrund"?

Das Alleinstellungsmerkmal ist ebenfalls die Psychologie. Nicht umsonst wurde die britische Serie anschließend in vielen anderen Ländern – von Frankreich bis Korea – adaptiert und dort aus der jeweiligen kulturellen Perspektive erzählt. Die deutsche Version ist aber die psychologischste Variante von "Doctor Foster".

Glauben Sie, dass jeder Mensch in eine toxische Beziehung geraten kann?

"Jeder" wäre zu verallgemeinernd. Je bewusster man lebt, desto weniger lebt man in einer toxischen Beziehung. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Menschen, die in ihren Partner zu viel hineinprojizieren, ihn nicht ernst nehmen oder ihn verletzen, ohne dass der Partner das spiegelt, toxische Strategien entwickeln – bewusst oder unbewusst. Ja, je achtsamer man in seiner Beziehung lebt, desto weniger läuft man Gefahr, dass sie sich toxisch entwickelt.

Sind wir Menschen Ihrer Meinung nach für monogame Beziehungen gemacht oder geraten wir immer wieder in Beziehungsschieflagen, weil uns das klassische Bild einer großen, treuen Liebe übergestülpt wird?
Auch hier kann man nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Die Menschen sind ja so unterschiedlich, und sie haben so unterschiedliche Bedürfnisse. Für einige ist Monogamie fantastisch, für andere eher eine offene Beziehung – und für wieder andere die Polygamie. Ich sage immer: „Hey Leute, Hauptsache Ihr leidet nicht darunter.“ Ob monogam oder nicht – man muss das wirklich alles gut absprechen und bewusst leben.

Ist „Ein Schritt bis zum Abgrund“ pure Unterhaltung oder gibt die Serie auch einen Denkanstoß? Und falls ja, welchen?

Der Denkanstoß für mich wäre, immer wieder mal zu checken, ob ich in etwas verrenne, was ich ganz intensiv verfolge. Persönlich finde ich es nämlich sehr schön, intensiv zu leben. Jana verfolgt ihr Berufsleben intensiv, aber bei dieser Intensität verpasst sie es, auf die Beziehung zu ihrem Kind und ihrem Mann zu gucken – sowie wahrscheinlich auch auf diverse freundschaftliche Beziehungen. Die einzige freundschaftliche Beziehung, die sie überhaupt hat, ist eine Kollegin aus der Praxis – aber eine richtige Freundin taucht gar nicht auf. Außerdem ist es auffällig, dass Janas Beziehung zu ihrem Kund bis zu einem bestimmten Punkt unterkühlt ist, und dass ihre Beziehung zu ihrem Mann einem Automatismus gleicht. Ja, die Serie gibt den Denkanstoß, dass man immer wieder mal checken sollte, ob alles noch in der Balance ist oder wo einem etwas aus dem Blick geraten ist, auf das man eigentlich Wert legt.

Sie sind eher „Team Jana“ oder „Team Christian“?

 Ich finde es spannend, den beiden bei ihrem Pingpongspiel zuzusehen, aber für mich sind weder Jana noch Christian eine Identifikationsfigur.

Schlussfrage: Was sind Ihre nächste spruchreifen Zukunftsprojekte vor der Kamera, was ist fertig schon verkündbar, was in der Pipeline?
Definitiv fertig verkündbar ist, dass jetzt der sehr schöne Kinofilm „Over and Out“ im Stream zu kriegen ist – unter anderem bei Google, Amazon und Magenta. Außerdem gibt‘s die herrliche Produktion „Der Scheich“ von Daniel Levy seit Dezember auf Paramount+.

 

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