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„Sissi“, die depressive Kaiserin? So viel Wahrheit steckt in den Filmen

25.12.2021 um 14:21 Uhr

Zwischen Klischee und Realität: 1955 erschien der erste Film über die österreichische Kaiserin. Ein Welterfolg! Doch das wirkliche Leben der Monarchin sah anders aus.

Ein Artikel von TV-Digital-Redakteurin Melanie Koch

Der Mythos lebt. Noch immer. 123 Jahre nach ihrem Tod ist Österreichs Kaiserin Elisabeth (1837 –1898) populärer denn je. Die in den 50er-Jahren erschienene Filmtrilogie mit Romy Schneider lockt jedes Weihnachten Millionen Menschen vor den Fernseher, und nun produzieren auch die Streaminganbieter Netflix und RTL+ eigene Serien. Für 2022 ist sogar ein Kinofilm geplant.

Die Faszination rund um die eigenwillige Kaiserin bleibt ungebrochen. Ein möglicher Grund dafür: „Sie war für ihre Zeit eine sehr moderne Frau, die eine enorme persönliche Entwicklung durchgemacht hat“, sagt Historikerin Martina Winkelhofer. „Politisch hatte sie nur wenig Einfluss, die Regierungsgeschäfte unterlagen ihrem Mann. Aber sie stand bereits damals für den weiblichen Kampf um Freiheit.“

Großer Ruhm

Bis heute ranken sich zahlreiche Mythen um die Monarchin, an deren Entstehung die Medien maßgeblich beteiligt sind, etwa die romantische Trilogie mit Romy Schneider. Die Filme zeichnen das Bild eines lieblichen, leicht naiven Mädchens, das in dem mächtigen österreichischen Kaiser Franz Joseph I. (Karlheinz Böhm) seine große Liebe findet. Für die damals 16-jährige Romy Schneider den großen Durchbruch: Ihre Interpretation der Monarchin kommt an – sie wird über Nacht zum gefeierten Star.

Antrieb durch Magda

Dieser Erfolg erfreut besonders Schneiders Mutter Magda, die auch in den Filmen Sissis Mama spielt. Die Karriere der einst erfolgreichen Volksschauspielerin ist vor den „Sissi“-Produktionen ins Stocken geraten und gewinnt nun dank der gefragten Tochter wieder neu an Fahrt. Die ehrgeizige Mutter versucht sogar, auf die Drehbücher Einfluss zu nehmen, wie bis heute erhaltene Briefe an Regisseur Ernst Marischka zeigen. Als Romy Schneider sich weigert, eine Fortsetzung zu drehen, greift Magda ein – und bringt ihre Tochter dazu, zwei weitere Male in die Kleider der Kaiserin zu schlüpfen. Erst als Romy ein vierter Film vorgeschlagen wird, gelingt es Magda Schneider nicht mehr, ihre inzwischen volljährige Tochter zu überzeugen. Romy schlägt die verlockend hohe Gage von einer Million Mark aus und widmet sich fortan anderen Projekten. Im Gedächtnis vieler Fans bleibt sie dennoch die ewige Monarchin. Und prägt damit das heutige Bild der Kaiserin entscheidend mit.

Zwischen Fiktion und Realität

„Das Problem bei Elisabeth ist, dass sich im Lauf der Jahre viele Annahmen über die eigentlichen Quellen gelagert haben“, sagt Martina Winkelhofer. „Vieles ist für uns so selbstverständlich in der Erzählung, dass man vorsichtig sein muss, ob es der Realität überhaupt entspricht.“

Mit 16 Jahren heiratet die bayerische Prinzessin Elisabeth ihren Cousin Franz Joseph I., den österreichischen Monarchen. Für den damals 23-jährigen Kaiser ist es Liebe auf den ersten Blick. Sehr zum Missfallen seiner Mutter, die in Elisabeths älterer Schwester eine passendere Partie gesehen hätte. „Innerhalb von 24 Stunden entscheidet Franz Joseph sich dafür, lieber Elisabeth zur Gattin haben zu wollen“, sagt Winkelhofer. „Und das zu einer Zeit, in der die Ehe vor allem Teil einer dynastischen Heiratspolitik war. Doch der österreichische Kaiser hat deutlich gemacht, dass er diese Frau will – oder keine.“ Die schüchterne Elisabeth fühlt sich geschmeichelt. Erst nach der Hochzeit im April 1854 wird ihr klar, wie hart der kaiserliche Alltag ist.

Kampf um Selbstbestimmung

Während Franz Joseph I. die politischen Geschäfte regelt, versucht seine Mutter Erzherzogin Sophie, aus ihrer Schwiegertochter eine vorzeigbare Monarchin zu machen. Benimmregeln, Fremdsprachenunterricht, ständige Überwachung: Zug um Zug wird Elisabeth in das enge Korsett des Wiener Hofs gepresst. Auch die Erziehung ihrer vier Kinder muss sie abgeben. Hinzu kommt: Elisabeth darf sich die Personen nicht aussuchen, mit denen sie sich umgibt. „Eine Monarchin musste Menschen aus der hohen Aristokratie empfangen. Das war das Kaiserhaus dem Adel schuldig“, sagt Winkelhofer. „Ob sie diese Personen mochte, spielte dabei keine Rolle. Als Kaiserin führte man ein isoliertes Leben in einem begrenzten Umfeld.“

Die depressive Kaiserin

1860 diagnostizieren die Ärzte bei Elisabeth eine schwere Lungenerkrankung. Sie nutzt die Möglichkeit, dem Hofprotokoll zu entkommen, und erholt sich bei Kuren auf Madeira und Korfu. Als sie nach zweijähriger Abwesenheit nach Wien zurückkehrt, ist sie wie ausgewechselt. Das schüchterne Mädchen ist zu einer selbstbewussten Frau herangereift. Und die weiß, was sie will: Elisabeth stellt Franz Joseph ein Ultimatum. Wenn sie nicht selbst entscheiden kann, wohin sie fährt, mit wem sie sich umgibt und wer die Kinder erzieht, wird sie ihren Mann verlassen. „Niemand hätte sich jemals getraut, solche Forderungen zu stellen“, sagt Martina Winkelhofer. „Dass der Kaiser darauf eingegangen ist, zeigt, wie er Elisabeth verehrt hat.“ Von nun an verbringt Sissi so wenig Zeit wie möglich in Wien und hastet stattdessen jahrzehntelang rastlos durch die Welt.

Die öffentliche Aufmerksamkeit lässt die Kaiserin abmagern und empfindlich werden. Sie verfällt in Depressionen, die sich nach dem Selbstmord ihres einzigen Sohns Rudolf im Jahr 1889 noch verstärken. Im Jahr 1898 wird die 60-jährige Monarchin in Genf von einem Anarchisten erstochen. „Tragisch ist: Im Moment ihres Mordes hat jenes Bewachungssystem ver sagt, das sie ein Leben lang verabscheut hat“, sagt Martina Winkelhofer. „Aber der spektakuläre Tod hat letztlich auch zur Bildung des Mythos beigetragen.“ Und der lebt bis heute.

Royale Neuauflage

In den 50er-Jahren bezauberte Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth, nun interpretiert RTL die Geschichte von „Sisi“, wie ihre Geschwister sie nannten, neu. In sechs Folgen (ab 28.12., 20.15 Uhr, RTL) zeigt die Serie, wie Elisabeth als 16-Jährige an den Wiener Hof kommt und die ersten vier Jahre dort meistert: „Es geht um die Emanzipation einer jungen Frau, die lernen muss, ihren Weg zu gehen“, so Showrunner Andreas Gutzeit.

Alle Jahre wieder: Wann läuft der Weihnachtsklassiker?

25.12. um 15.25 Uhr: „Sissi“ (Teil 1) im Ersten

25.12. um 17.10 Uhr: „Sissi, die junge Kaiserin“ (Teil 2) im Ersten

26.12. um 16.45 Uhr: „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ (Teil 3) im Ersten

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