Die ARD-Krimi-Könige im Exklusiv-Interview

"Tatort: Münster“: Liefers will anecken und keine Einschlafhilfe sein

13.11.2022 um 17:25 Uhr

Exklusiv bei TV Digital: Jan Josef Liefers und Axel Prahl über ihren neuen „Tatort“, ihr Verständnis von Humor und die harte Kritik an ihrem letzten Krimi „Propheteus“,

Zu abgedreht, zu abgehoben, zu „verschwurbelt“ – so lautete im März 2022 die fast einhellige Meinung der Kritiker und der Zuschauer über den Münsteraner „Tatort: Propheteus“. Auch die Einschaltquote lag mit „nur“ 11,03 Millionen Zuschauern unter den Werten vorheriger Fälle des Duos Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl).

Ist ihr neuer Fall „Ein Freund, ein guter Freund“ über den Mord an einem Anwalt (So, 13. November, 20.15 Uhr im Ersten) wieder solide Krimikost? Können die beiden damit bei den Zuschauern verlorenes Terrain gutmachen? TV Digital findet: Ja. Und sprach mit Prahl und Liefers über „Propheteus“, gute und schlechte Witze sowie denkbare künftige Fälle.

Ein Interview von TV Digital Chefreporter Mike Powelz

Der neue Fall dreht sich um einen toten Anwalt, zwei Goldfische, einen Mafioso und beste Freunde. Was mögen Sie an der Geschichte?

JAN JOSEF LIEFERS: In unserem neuen Film geht es um eine seit Jugendtagen existierende Freundschaft, die alles überdauert, über jeden Zweifel erhaben ist und am Ende trotzdem eine interessante Wendung nimmt. Ein Thema, das schon für den Marlowe-Krimi „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ aus den 70er-Jahren getaugt hat.

Apropos Anwalt: Haben Sie als Promis die Nummer eines Staranwalts im Handy, der für Sie gegen unliebsame Presseberichterstattung vorgeht oder Unterlassungsklagen erwirkt?

AXEL PRAHL: Der Bedarf hält sich glücklicherweise in Grenzen. Nur einmal fand ich es lachhaft, als ein Schmierblatt eine Geschichte, die mir in der Jugend zugestoßen war, herauskramte. Hinter der angeblich „aktuellen“ Schlagzeile à la „Horrorurlaub für Axel Prahl“ verbarg sich ein uraltes Erlebnis, das sich vor mehr als 40 Jahren ereignet hatte. Damals trieb ich mit einer Luftmatratze auf der Ostsee, schlief ein und konnte mit letzter Kraft an Land robben.

Auffällig diesmal: Die Staatsanwältin raucht keine Zigarette. Warum nicht?

LIEFERS: Gut beobachtet! Für manche Fans ist es sowieso interessant, zu beobachten, wie sich unsere „Tatorte“ verändern. Beispielsweise wird es im TV komplizierter, eine Zigarette zu rauchen. Außerdem erleben wir neue Bedenken in Bezug auf den Umgang zwischen Boerne und Alberich, also seiner Kollegin Haller (gespielt von Christine Urspruch, Anm. d. Red.). Worte liegen auf der Goldwaage. Auch dann, wenn sie ein Ausdruck von Humor, ja sogar Zuneigung sind. Die Zeiten ändern sich.

Aber ist Humor nicht von der Kunstfreiheit gedeckt?

PRAHL: Hm, darf man sich beispielsweise noch über das Gendern lustig machen? Ich finde Ja, weil es bei sämtlicher berechtigter Kritik über unsere patriarchalisch angelegte deutsche Sprache inzwischen viele Wortkreationen gibt, die gefühlt schwer übers Ziel hinausschießen.

LIEFERS: Solche Sichtweisen soll Film spiegeln und auf den Tisch legen. Ich mag es, wenn der „Tatort: Münster“ durch Humor aneckt. Denn wenn sich niemand mehr aufregt, wären wir nicht mehr ein Krimi, sondern nur noch eine Einschlafhilfe. Klingt da Kritik durch?

PRAHL: Ich würde es als „Arbeit an der Sache“ bezeichnen. Wir stellen halt die Frage, wie wir konkret daran arbeiten können, Dinge weiterhin so zu benennen, wie sie unserer Meinung nach benannt werden sollten. Manches, was an uns herangetragen wird, lehnen wir ab, etwa die über mäßige Form des Genderns, über die man sich auch mal lustig machen darf. Manchmal mit ERfolg, manchmal mit SIEfolg.

Ihre Meinung über die Kritik an dem Jubiläumsfall „Tatort: Propheteus“?

PRAHL: Sagen wir mal so: Ich kann sie nachvollziehen. Aber der eigentliche Geburtstags-„Tatort“ war ja ohnehin der vierzigste: „Des Teufels langer Atem“.

Wie wäre es mit einem „Tatort“, der die aktuellen hauseigenen Skandale der ARD aufbereitet? Mit einem ermordeten Intendanten oder einem toten Rundfunkgebührenverweigerer?

PRAHL: Spannendes Thema!

LIEFERS: Klar wäre das ein relevantes Thema. Ich finde auch, dass gerade die heiklen Themen besprochen gehören. Die Welt ist voller kontroverser Themen. Das sind aber zugleich auch diejenigen, vor denen man die meiste Angst hat. Man befürchtet, damit falsche Leute auf den Plan zu rufen, Applaus von falscher Seite zu bekommen. Ich kann die Vorsicht verstehen, finde sie aber gefährlich. Meiner Meinung nach sollte man „richtige Themen“ nicht falschen Leuten überlassen. Offene Kritik gehört in die Mitte der offenen Gesellschaft, nicht an die Ränder.

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