Unsere Kritik

"Stark wie ein Bär, agil wie ein Oktopus": So schräg ist Amazons neue Show "Celebrity Hunted"

03.12.2021 um 10:29 Uhr

Das legendäre Bär-Oktopus-Zitat stammt von Boxweltmeister Wladimir Klitschko. Einer von zehn Prominenten, die sich von Amazon Prime Video für die neue Show "Celebrity Hunted" durch Deutschland jagen lassen.

Stefanie Giesinger, Kida Kodr Ramadan ("4 Blocks") mit Rapper Summer Cem, Vanessa Mai mit Ehemann Andreas Ferber, Schauspieler Tom Beck mit Kollege Axel Stein sowie die Influencerinnen Diana und Melisa sind neben Klitschko zehn Tage lang unterwegs. Mit nur 50 Euro pro Tag, Handy und der Auflage, sich alle 24 Stunden zu bewegen. Am Ende muss noch ein bestimmtes Ziel erreicht werden. Auf den Fersen ist ihnen ein Team aus (Ex-)Profis unter Leitung von Erich Vad (ehemaliger Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin). Wer geschnappt wird, ist raus aus der Show.

Kling gut? Coole Promis dabei? Stimmt beides. Schade nur, dass die Macher vor lauter "Das muss spannend werden" so viele künstliche Extras übers clevere Konzept gepinselt haben, dass dessen Potential flöten geht. Zumindest in den ersten beiden Folgen, die wir vorab gesehen haben und die ab heute bereitstehen.

Der Trailer für einen ersten eigenen Eindruck:

Beim Pressegespräch zur Show berichtete Stefanie Giesinger, wie nett das Kamerateam, das jedem Promi folgt, mitgefiebert habe, als sie sich durchs Land schmuggelte. Wie aufgeregt sie alle waren und wie irre sich die ganze Erfahrung angefühlt habe. Solche authentischen Eindrücke kommen in der fertigen Sendung viel zu kurz. In der soll's offensichtlich zugehen wie in "CSI"-Folgen frisch aus dem US-Fernsehen. Was dazu führt, dass das Fahnder-Zentrum in Frankfurt mit blaubleichem Schummerlicht ausgestattet ist und mit zahllosen Monitoren, vor denen sich massig ernst dreinblickende Männer und Frauen versammeln, während andere im Hintergrund in die Laptops tippen, unterlegt von dramatischer Musik.

Gescripted statt gefühlt

"Die beiden sind in einen weißen Ford Transit eingestiegen“, verkündet dann ein Mann in so einer überinszenierten Szene, umringt von besagten Kolleg*innen. "Wir konnten die Videodaten analysieren und die Kennzeichen extrahieren“. Alle nicken begeistert und Vad, dessen Fachkompetenz und sicher faszinierende Erfahrung zumindest in Folge 1 und 2 sträflich ungenutzt bleibt, meint: "OK, dann bleibt Ihr dran".

Oder es wird bedeutungsvoll verkündet, dass die Spuren die Ramadan und Cem hinterlassen, dazu führen, dass man ein immer besseres Persönlichkeitsprofil von den beiden erstellen kann. Das Ergebnis verkündet die kriminologische Verhaltensanalystin:

"Bei den beiden ist es so, da hat man die Rulebreaker zusammengespannt, Die werden gute Verstecke suchen aber was bei ihnen sein wird, sie werden sich überschätzen, weil ihnen im Grunde genommen alles egal ist und sie es nicht so ernst nehmen, wie sie es eigentlich sollten."

Uff. Derweil sitzen die beiden Rulebreaker in Trainingsanzügen in Autos, Flugzeug oder Speedboot, rauchen fette Zigarren und mokieren sich mittelsympathisch über Mitstreiter*innen. Denn auch hier wird wenig der Realität überlassen: Jeder Promi hat ein Image, auf das die jeweiligen Szenen zugeschnitten werden. Ramadan und Cem sind in diesem Szenario die streetsmarten Gangstatypen, Klitschko der superintelligente Stratege und Athlet (sein Bär-Oktopus-Satz oben bezieht sich natürlich aufs berühtme Schmetterling-Biene-Zitat von Boxerkollege Muhammad Ali), die Influencerinnen sind die modeaffinen Lifestylegirls etc. 

Wem der Witz, das Image oder die herrschende Spannung dann immer noch nicht klar ist, der wird vom Sprecher darauf hingewiesen, der alles kommentiert.

Kostprobe:

"Das Wissen, wann man zuschlagen muss und wann man sich besser zurückzieht, ist nach jahrzehntelangem Kampftraining zum Instinkt geworden"

raunt er beispielsweise, als Klitschko mit dem Tauchscooter durch die Müritz saust.

Schön auch der Kommentar zu einer Fahrt auf der Autobahn:

"Die Straßen Nordrhein-Westfalens – ein Labyrinth aus Asphalt".

Noch mehr Promis und unser Fazit

Clever ist die Idee, durch den einen oder anderen bekannten Fluchthelfer oder Fluchthelferin noch mehr Promibonus für die Show zu kreieren. Ist auch schick, bei einem bekannten Sänger zu Gast zu sein oder mal eben einem Starstylisten zuzugucken, wie er Giesinger verwandelt. Doch auch hier steht der "Ist effektvoll für die Show"-Faktor deutlich im Vordergrund. Bekannte Gesichter fürs eigene Unerkanntsein und -bleiben zu nutzen, ist ansonsten ja offensichtlich nicht besonders sinnvoll.

Fazit: Schaaade. Das "Celebrity Hunted"-Konzept, das in England erfunden und in den USA und Italien ebenfalls bereits adaptiert wurde, ließ uns einiges erhoffen. Leider ist nun im fertigen Format alles eher gescripted als gefühlt. 

Aber wer weiß, vielleicht wird's in den kommenden Folgen besser. Reinschauen sollte man auf jeden Fall mal - Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

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